Selten so gelacht – und nachgedacht!

Selten so gelacht – und nachgedacht!

Aus: Paulus Blätter (Mai/Juni 2023)
Autor: Detlev Riemer

Mit ihrem Stück „Extrawurst“ haben die Schattenlichter Kabarett vom Feinsten geboten. Eine Pointe jagte die andere. Allerdings verwandelte sich meine Heiterkeit im Laufe des Abends in Nachdenklichkeit, und die hält immer noch an. Ein Tennisclub mit Cem als einzigem türkischen Mitglied wird zum Abbild unserer Gesellschaft; in der Diskussion des Vereins geht es um unsere Befähigung zur Toleranz. Der Streit entzündet sich an religiösen, kulturellen, ethischen, auch schlicht mitmenschlichen Themen und wird mit zunehmender Heftigkeit geführt – trotz der wiederholten Warnung: „Sarkasmus ist der Weg zur Hölle.“

Vereinsmitglied Micha bildet sich ein, ein neutraler Schiedsrichter zu sein, weil er als Atheist über den Religionen zu stehen glaubt. Justin Becker als Darsteller hat seine Rolle so überzeugend gespielt, dass ich mich in mein Vorleben in der DDR zurückversetzt glaubte; die längst verdaute Bitterkeit von damals kam in mir wieder hoch. Dabei war auch Micha nicht frei von Widersprüchen, wie überhaupt alle Rollen nicht in ein einfaches Schwarz-Weiß-Schema passten. Sie haben es doch alle gut nur gemeint – jeder auf seine Weise und mit immer wieder neuen logischen oder skurrilen, bierernsten oder komischen Argumenten!

Was kam bei diesem Streit der Kulturen, Religionen, Weltanschauungen am Ende heraus? Vereinsvorsitzende Charlotte (Carola-Kristina Lane) stand schließlich allein auf weiter Flur – ein Tennisverein ohne Spieler. Von der einst glorreichen Vereinsgeschichte zeugte nur noch die Dekoration – Vitrinen voller Pokale. (Wo haben die Schattenlichter nur die vielen Requisiten aufgetrieben?)

Bleibt noch die Frage: Hätte man für die Rolle des Cem auch einen „echten“ Türken engagieren können?

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„Die beste Tarnung ist immer noch die blanke und nackte Wahrheit!“

„Die beste Tarnung ist immer noch die blanke und nackte Wahrheit!“

Vor 23 Jahren, im März 2000, spielten die Schattenlichter „Biedermann und die Brandstifter“. Die damalige Frau Biedermann und drei weitere Schattenlichter sahen sich heute im Schlosspark-Theater das wohl bekannteste Stück von Max Frisch an.

Herr Biedermann – im Schlosspark-Theater von Theaterchef Dieter Hallervorden höchstpersönlich gespielt – schwadroniert endlos über die Gefahren des Feuers und über Brandstifter, doch nimmt er gutmütig und vertrauensselig den Ringer Schmitz (Georgios Tsivanoglou) und seinen zwielichtigen Kumpan Eisenring (Mario Ramos) bei sich auf. Auch als sie den gesamten Dachboden mit Benzinfässern vollstellen, erkennt er die Gefahr nicht, sondern hilft seinen vermeintlichen Freunden sogar beim Vermessen der Zündschnur. Er findet immer neue Ausreden und Rechtfertigungen – und schließlich händigt er den Brandstiftern selbst die Streichhölzer aus.

„Scherz ist die drittbeste Tarnung. Die zweitbeste ist Sentimentalität. Die beste aber ist immer noch die blanke und nackte Wahrheit. Komischerweise. Die glaubt niemand!“, sagt Eisenring – und Biedermann pflichtet ihm auch noch bei, ohne das Gesagte auf sich zu beziehen.

Auch wenn Frisch vor 65 Jahren vermutlich andere Brandstifter vor Augen hatte, lässt sich das Stück heute problemlos auf aktuelle Situationen und Menschen übertragen. Den Schattenlichtern gefielen sowohl die überzeugende Darbietung der Charakterrollen als auch das Bühnenbild, das sogar Schattenspielelemente enthielt. Statt die gesamte Bühne zu nutzen, wurde in die Bühne ein Biedermann-Häuschen gebaut, das das Kleine und Beschränkte des Biedermannschen Geistes auch optisch zum Ausdruck bringt.

Ein extrem kurzweiliger Abend!

Nach rund sechs Wochen voller Brandstifterei läuft das Stück am morgigen Sonntag um 18 Uhr zum letzten Mal.

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Spendest du mir eine Niere?

Spendest du mir eine Niere?

Unser Theater-Tipp für den Monat Juni ist ein zweigeteilter Tipp, der darin besteht, erst ins Kino zu gehen und sich dann das dem Film zugrundeliegende Theaterstück anzusehen.

Ihr werdet es vermutlich schon ahnen: Es handelt sich um den vorgestern angelaufenen Film „Risiken und Nebenwirkungen“ von Michael Kreihsl und das Theaterstück „Die Niere“ von Stefan Vögel.

Der Film bleibt nahe an der Handlung, nutzt aber geschickt die Vorteile seines Genres: wechselnde Schauplätze wie die Berge, ein Krankenhaus, Restaurants, Büros und Baustellen – und zusätzliche Nebenrollen wie Ärzte, Patienten, Töchter und Schwiegersöhne. Das sorgt für viel Abwechslung und lässt keine Langeweile aufkommen.

Zur Handlung: Nach einer gemeinsamen Vorsorgeuntersuchung bekommt eine Ehefrau die Diagnose Niereninsuffizienz, während ihr Mann gesund ist. Nun kreist alles um die Frage, ob ihr Mann seine eigene Gesundheit gefährden würde, um seiner Frau eine Niere zu spenden. Delikat wird es vor allem dadurch, dass der Mann zögert, sein bester Freund sich hingegen ohne Zögern als Spender zur Verfügung stellt. Ganz nebenbei kommen einige Wahrheiten ans Licht, und zwei unerwartete Wendungen sorgen für weitere Aufregung.

Die vier Hauptrollen – die einzigen, aus denen das eigentliche Theaterstück besteht – machen ihre Sache großartig: sowohl das streitende Ehepaar aus Inka Friedrich und Samuel Finzi als auch deren beste Freunde, gespielt von Pia Hierzegger und Thomas Mraz. Für viel Vergnügen sorgt auch ein Gastauftritt von August Zirner als Arzt.

Der Film ist derzeit in rund zehn Berliner Kinos zu sehen, am Sonntagabend auch Open Air. Das Stück läuft immer mal wieder – zuletzt vor drei Monaten in der Komödie am Kurfürstendamm.

Wie immer wird es spannend sein, die Inszenierungen zu vergleichen! Viel Spaß dabei!

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Was Monsieur Claude mit seinen Töchtern und Schwiegersöhnen erlebt

Was Monsieur Claude mit seinen Töchtern und Schwiegersöhnen erlebt

Vor einiger Zeit veröffentlichten die Schattenlichter an dieser Stelle einen begeisterten Theater-Tipp für die Inszenierung „Monsieur Claude und seine Töchter“ im Steglitzer Schlosspark-Theater.

Inzwischen hat nicht nur der gleichnamige Kinofilm mit Christian Clavier eine Fortsetzung erhalten, sondern auch das Schlosspark-Theater wartet mit einem zweiten Teil auf. Vier Schattenlichter machten sich heute Abend auf, um zu sehen, ob der zweite Teil mit dem ersten mithalten kann.

Worum geht es? Peter Bause als Monsieur Claude und Brigitte Grothum als seine Frau Marie haben vier liebenswerte Töchter, die nicht gerade zur Freunde ihrer biederen Eltern Männer aus vier ganz verschiedenen Kulturen geheiratet haben.

Zu Beginn des zweiten Teils besuchen Claude und Marie alle Heimatländer ihrer Schwiegersöhne – und vermissen ihr geliebtes Frankreich. Doch dann kommt Claudes Freund und Widerpart André, dargestellt vom 70er-Jahre-Schlagerstar Roberto Blanco, wieder zu ihnen zu Besuch, und es erwartet ihn eine gewaltige Überraschung: Nun will seine Tochter heiraten – aber wen?

Währenddessen versuchen Claudes Schwiegersöhne, Frankreich den Rücken zu kehren und auswandern. Aber da haben sie die Rechnung ohne Claude und Marie gemacht: Die lassen sich allerlei einfallen, um ihren Schwiegersöhnen Frankreich wieder schmackhaft zu machen.

Das Schlosspark-Theater sieht die Komödie als vergnügliches Plädoyer für interkulturelle Toleranz, für die Überwindung von Vorurteilen und für ein friedliches Zusammenleben ohne Ansehen von Hautfarbe, Herkunft und Nationalität.

Das ist sicherlich richtig, nur muss der Theaterbesucherin oder dem -besucher klar sein, dass das Stück diese Werte in einer Mischung von Komödie und Klamauk vermittelt, die auch noch von Gesangseinlagen ergänzt wird, die die Dynamik der Inszenierung nicht unbedingt erhöhen. Ein bisschen gehaltvoller wäre es sicherlich gegangen, ohne an Witz einzubüßen. Dennoch ist es ein kurzweiliger und amüsanter Theaterabend, bei dem man immer wieder schmunzeln oder laut lachen muss.

Die Schattenlichter sind übrigens so jung, dass sie vor dem Theaterbesuch ihr Roberto-Blanco-Wissen mithilfe von Google auffrischen mussten: Seinen größten Erfolg feierte der Schlagersänger 1972 mit dem Titel „Ein bisschen Spaß muss sein“. Er war seit den 1950ern als Schlagersänger, Schauspieler und Entertainer tätig. In wenigen Tagen wird er 85 Jahre alt – auf der Bühne geht er locker als 70-Jähriger durch. Ob er bei „Monsieur Claude“ wohl auch eine Gesangseinlage gab? Die Schattenlichter wollen nicht spoilern – guckt es Euch einfach selbst an!

Zwei Dutzend Vorführungen stehen im Mai und Juni noch auf dem Spielplan. Auf der Webseite ist auch ein Trailer des Stücks zu finden.

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„Frauensache“ in der Berliner Erstaufführung

„Frauensache“ in der Berliner Erstaufführung

Die Schattenlichter sind bekennende Lutz-Hübner-Fans, haben bereits zwei Stücke des Erfolgsautors gespielt und unzählige im Theater angesehen.

Bei der Berliner Erstaufführung von Lutz Hübners Stück „Frauensache“ im Kleinen Theater am Südwestkorso durften sie natürlich nicht fehlen.

Wie immer haben sich Lutz Hübner und Co-Autorin Sarah Nemitz ein aktuelles Thema vorgenommen, das kontrovers diskutiert wird.

Anders als sonst – beispielsweise in „Frau Müller muss weg“ oder in „Richtfest“ – gibt es aber nichts zu lachen. Während sonst auch einige komische Wendungen zu verzeichnen sind oder Charaktere trotz ernster Themen auch mal witzige Sachen sagen, lässt das Thema diesmal für heitere Momente keinen Spielraum: Es geht um Schwangerschaftsabbrüche und den erbitterten Kampf der Befürworterinnen und der Gegnerinnen. Dazwischen stehen hilflos die ungewollt Schwangeren und werden zum Spielball der Kämpfenden.

Das Ganze ist in kurzen, knackigen und überzeugenden Szenen Schlag auf Schlag dargestellt – in einem praktischen Bühnenbild, das schnelle Umbauten ermöglicht.

Kein amüsanter Abend, aber ein lohnender! Daher lautet der Tipp der Schattenlichter: Hingehen! Die Gruppe hat das von einem reinen Frauenteam gespielte Stück generations- und geschlechterübergreifend angesehen. Es hat für alle Arten von Zuschauenden viel Mehrwert.

Die nächsten Termine: 21. und 22. Juni 2022

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Schattenlichter und Corona: Filmschauspieler sind fürs Publikum nicht ansteckend

Schattenlichter und Corona: Filmschauspieler sind fürs Publikum nicht ansteckend

Aus: Paulus Blätter (1 und 2/2021)
Autorin: Elke Brumm

Seit April 2020 probten die Schatten­lichter einen Agatha-Christie-Krimi, um ihn im Februar 2021 im Großen Saal des Gemeindehauses aufzuführen. Als sich Ende Oktober 2020 abzeichnete, dass die coronabedingten Vorsichtsmaß­nahmen die wichtigen Proben der Win­termonate und schließlich auch die Aufführungen stark beeinträchtigen würden, verschoben die Schattenlichter ihre Krimipremiere auf Februar 2022.

Für Februar 2021 wurde eine völlig neue Art von coronagerechtem Theaterprojekt ersonnen: Die Schattenlichter verfilmten eine von einem Gruppenmit­glied erstellte Textsammlung. Zu den meisten Proben war jeweils nur ein einziger Schauspieler vor der Kamera erforderlich, so dass sich die Anste­ckungsgefahr in Grenzen hielt. Durch den Zusammenschnitt von Jean-Pierre Pactat kommen die Schat­tenlichter auf der Leinwand nun wieder zusammen.

Dem treuen Schattenlichter-Publikum kann so zum gewohnten Theatertermin Ende Februar eine nicht anste­ckende Schattenlichter-Produktion prä­sentiert werden – unter dem Titel „Die Mauer wird noch in 100 Jahren stehen“. Da die Corona-Abstandsregeln nur we­nige Zuschauer im Theatersaal zulas­sen, wird der Film an sechs Abenden zu sehen sein (Termine siehe Plakat). Anders als sonst gibt es Platzkarten, um ein Gedränge im Gemeindehaus zu verhindern. Dafür können diesmal keine Karten reserviert werden; es findet ausschließlich ein Vorverkauf statt – immer montags zwischen 18:15 und 18:30 Uhr im Foyer des Paulus-Gemeindehau­ses, Teltower Damm 6. Zudem ist erst­mals ein Kartenkauf im Internet mög­lich (www.schattenlichter.info).

Den Film drehten die Schattenlichter an vielen Stellen des Gemeindehauses; Darsteller sind 45 aktu­elle und ehemalige Schattenlichter. Das Filmthema ist eine Umfrage zur Deutschen Frage, im Juni 1989 von einem Mitglied der Pau­lus-Gemeinde durchgeführt.

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Schöner wohnen, aber nicht gemeinsam leben

Schöner wohnen, aber nicht gemeinsam leben

Aus: Paulus Blätter (4/2019)
Autor: Lothar Beckmann

Das Theaterstück ist eine Mogelpackung. Bis zum Richtfest, so der Titel, schaffen es die Schauspieler nicht in diesem Drama, das die Theatergruppe Schattenlichter im Februar aufführte. Was harmonisch beginnt, als das Modell des gemeinsam zu bewohnenden Hauses von allen Handys begeistert abgelichtet wird, geht zwieträchtig bergab. Die Mitglieder der Baugemeinschaft liegen am Ende am Boden – im wahrsten Sinne des Wortes.

Zu unterschiedlich sind die Wünsche. Das Haus aus Glas lässt sich nicht gleichzeitig und gleichwertig einpassen ins Leben eines jungen Paares, eines alleinstehenden Senioren, eines bibliophilen Professors samt Partnerin aus der PR-Branche, eines Möbel missbilligenden Architekten und von zwei zwischen allen Stühlen sitzenden Künstlerinnen. Die Wünsche beißen sich: hier Dienstmädchenzimmer, dort Kinderzimmer. Das Traumhaus ist mal Plattenbau, mal Caritas-Heim, aber nie trautes Heim.

Die Schattenlichter spielen die fein gedrechselten Dialoge in vielen kurzen Szenen in wechselnder Kulisse, auch vor und neben dem Vorhang. Der Umbau im Halbdunkel klappt wie am Schnürchen. Die Figuren oben polarisieren die Zuschauer unten. Die Guten wie die schwangere Studentin mit ihrem Freund, dem Assistenzarzt, und die umtriebige Leiterin der Jugendhilfe, streiten mit den Bösen wie der unflätigen PR-Frau und dem aalglatten Architekten. Zu erwähnen ist Marco Höhmann in der Rolle des Senioren: Am Anfang mit federndem Schritt und flotten Sprüchen unterwegs, sitzt er zuletzt im Rollstuhl. Ein überzeugendes Darstellerdebüt in der Theatergruppe Schattenlichter.

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Premierenbesuch: „Richtfest“ von Lutz Hübner

Premierenbesuch: „Richtfest“ von Lutz Hübner

Aus: Zehlendorf aktuell (3/2019)
Autor und Fotograf: Carsten Scheibe

Eins ist so sicher wie das Amen in der Kirche: Die Hobbytheatergruppe „Schattenlichter“ (www.schattenlichter.info) führt einmal im Jahr ein neues Stück im Großen Saal des Gemeindehauses Teltower Damm 6 in Zehlendorf-Mitte auf. Was damals als kleine Konfirmandengruppe begann, ist heute ein unverzichtbarer Baustein des kulturellen Lebens im Bezirk. In diesem Jahr traten die „Schattenlichter“ bereits zum 37. Mal an. Wie in jedem Jahr, so wurde auch dieses Mal an drei Abenden Theater gespielt. Die Schauspieler traten erneut vor einem ausverkauften Saal auf. Vor allem die Senioren aus dem Bezirk schätzen es, wenn sie einmal unterhaltsame Kultur direkt vor der eigenen Haustür für einen schmalen Taler angeboten bekommen. Vom 21. bis zum 23. Februar wurde dieses Mal eine Einladung zum „Richtfest“ ausgesprochen. Das Stück stammt von Lutz Hübner und seiner Co-Autorin Sarah Nemitz. Bereits 2016 hatten die „Schattenlichter“ ein Stück des Erfolgsautoren auf die Bühne gebracht: „Frau Müller muss weg“ hieß es damals.

Im „Richtfest“ geht es um eine Baugemeinschaft, die sich gerade erst gefunden hat, um sich mit der Hilfe eines willigen Architekten den Traum von den eigenen vier Wänden zu erfüllen. Die Schicksalsgemeinschaft zieht am Anfang noch an einem Strang, schließlich gilt es doch, das gemeinsame Ziel im Auge zu behalten. Aber wie viele Kompromisse kann man eingehen, bevor die schöne Fassade der Freundlichkeit bröckelt und die Wut hochschäumt? Im „Richtfest“ prallen jedenfalls Welten aufeinander. Der Architekt, der sein Lebenswerk in Stein errichten möchte. Das reiche kinderlose Pärchen, das nicht aufs Geld schauen muss. Die mittellose Jungfamilie, bei der Nachwuchs ansteht. Der patente, alte Mann, der in Wirklichkeit so einige Probleme hat. Und die Öko-Mutter, die Freude an alternativen Formen des Zusammenlebens hat.

Für das Stück mussten die „Schattenlichter“ ihren Personen-Fundus noch einmal erweitern. Die acht Stammschauspieler reichten nicht aus, vier weitere Rollen mussten besetzt werden. Das ist mit einigen neuen Gesichtern gelungen, auch wenn es auf der Bühne manchmal voll wird. Man muss wissen, dass die „Schattenlichter“ keinen Regisseur haben und sich somit ihre Stücke gemeinschaftlich erarbeiten. Das gelingt erstaunlich gut: Die „Schattenlichter“ sind immer auf den Punkt vorbereitet und spielen mit großer Freude. Manche Gesichter und Stimmen kennt man schon – und freut sich jedes Jahr auf ein Wiedersehen.

Zum Stück selbst: „Richtfest“ wirkt leider sehr konstruiert und birgt in seiner geradlinigen Annäherung an eine finale Eskalation aller Beteiligten keine wirklichen Überraschungen. Ganz im Gegensatz zu „Der Vorname“, den die „Schattenlichter“ im letzten Jahr gespielt haben.

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Von Castorf erschlagen

Von Castorf erschlagen

Heute Abend wollte niemand den Theater-Tipp schreiben: Drei von uns sind nach zweieinhalb Stunden in der Pause gegangen, drei andere haben nach vier Stunden aufgegeben, und nur einer sitzt immer noch in der Vorstellung. Ihr ahnt schon, worum es geht? Genau, die Schattenlichter waren in der auf sechs Stunden angesetzten Aufführung von „Galileo Galilei“ im Berliner Ensemble, die vor ein paar Tagen ihre Premiere hatte.

Was tun, wenn man von Frank Castorf so erschlagen ist, dass man sich zum Tippschreiben nicht mehr in der Lage sieht? Ich bitte die mit mir Geflüchteten, mir je eine Sache zu nennen, die ihnen gefallen hat. Wer keine großen Ziele erreichen kann, setzt sich eben kleine.

Schattenlicht Nr. 1 lobt das auf einer Drehbühne aufgebaute Bühnenbild, das Blicke in Galileis Forscherstätte und in andere Räume erlaubt. Nr. 2 ist speziell von Galileis Fernrohr angetan, das größer ist als in der Sternwarte auf dem Insulaner. Man kann es hoch- und runterkurbeln, und besonders motivierte Wissenschaftler klettern sogar hinein, um den Sternen noch näher zu kommen. Nr. 3 bewundert die Schauspielkünste und das Durchhaltevermögen des Hauptdarstellers: Der 86-jährige Jürgen Holtz lasst uns live am Denkprozess des Galilei teilhaben und steckt mit seiner Begeisterung für Wissenschaft und Wahrheit nicht nur seinen ebenfalls gut gespielten Schüler Andrea an, sondern auch das Publikum.

Nun drei Dinge, die uns nicht so gut gefallen haben:
Nr. 1: Der Einsatz von Live-Filmen im Theater kann belebend sein, hat aber bei dieser Inszenierung ein Ausmaß angenommen, das auf uns maßlos wirkt: Da dauert eine einzige Szene gerne mal 30 Minuten – die ganze Zeit mit schwankendem Bild, monotonen Hintergrundgeräuschen und gruseligen Nahaufnahmen.
Nr. 2: So maßlos wie die Filmszenen ist in dieser Inszenierung so ziemlich alles – es gibt immer wieder originelle Ideen, die fünf Minuten lang toll wären, aber endlos ausgewalzt werden.
Nr. 3: Oft schaut man nur auf eine Wand statt direkt auf die Schauspieler. Auch das wäre als Stilmittel mal ganz nett, aber nichts über 50 Prozent des Stücks.

Vielleicht hat Castorf ja in den letzten beiden Stunden noch das Steuer herumgerissen. Wir werden es uns vom tapfersten Schattenlicht berichten lassen!

www.berliner-ensemble.de

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