Ein zwiespältiger Revisor

Ein zwiespältiger Revisor

Wenn sich die Schattenlichter für ein neues Stück entscheiden wollen, bringen mehrere Gruppenmitglieder ihre Stückvorschläge mit. Durch Abstimmung kommen die drei oder vier geeignetsten in die engere Wahl. Sie müssen von allen Schattenlichtern bis zum nächsten Treffen 14 Tage später gelesen werden.

Da trifft es sich gut, wenn eins dieser Stücke gerade in der Nähe in einem Theater zu sehen ist – in diesem Fall „Der Revisor“ von Nikolai Gogol. Das Schlosspark-Theater zeigt die Komödie in einer Fassung für sieben Schauspielerinnen und Schauspieler. Sechs Schattenlichter fanden sich spontan ein, um auf diesem Weg den Stücktext zu sehen statt zu lesen.

Worum geht’s in diesem 190 Jahre alten Stück? Einem korrupten russischen Stadthauptmann (Frank Kessler) wird die Warnung zugespielt, ein Revisor werde seine Machenschaften inkognito überprüfen. Voller Panik beeilt er sich, sämtliche Missstände zu bereinigen, und instruiert seine Gattin (Krista Birkner) und seine Tochter (Helen Barke) sowie sämtliche Amtsträger (Oliver Seidel und Steffen Melies), den Revisor nach allen Regeln der Kunst zu verwöhnen und ihm eine heile Welt vorzugaukeln.

Als tatsächlich ein unbekannter Reisender (Lukas Benjamin Engel) und sein Untergebener (Oliver Nitsche) im Ort eintreffen, werden sie für den hohen Besuch aus Moskau gehalten – allerdings zu Unrecht! Das Chaos nimmt seinen Lauf …

Es ist erstaunlich, wie aktuell die Komödie nach knapp 200 Jahren immer noch ist. Die Themen Korruption, Machtversessenheit und Egoismus sind unverändert gültig.

Das Schlosspark-Theater versucht in seiner Inszenierung, das Aktuelle des Stücks zu betonen, indem Anspielungen wie „Ukraine“, „Annektieren“ und „Musk“ in den Raum geworfen werden. Gleichzeitig bleiben aber Texte von 1836 unwidersprochen erhalten, beispielsweise dass Frauen froh sein können, wenn sie „nur vergewaltigt und ausgepeitscht“ werden, und die Damen der Handlung sind auf ihre weiblichen Reize reduziert. Für die Schattenlichter wäre eine klarere Positionierung wünschenswert gewesen: entweder eine historische Aufführung oder eine aktuelle.

Regisseur Philip Tiedemann hat sich für starke Überzeichnungen entschieden, die den Schauspielerinnen und Schauspielern viel Engagement und Präzision abverlangen – und die dem Publikum zwei Stunden lang keine Verschnaufpause gönnen. Da wird das Magenknurren des angeblichen Revisors und seines Knappen nicht nur einmal überlaut dargestellt, sondern eine ganze Szene lang. Und so zieht es sich durchs ganze Stück. Das Publikum nimmt es mit gemischten Reaktionen auf: Einige Lacher sind zu hören, andere schütteln fassungslos den Kopf.

Sehr charmant sind das Bühnenbild und die Lichteffekte – vom Wald über das prunkvolle Wohnzimmer des Bürgermeisters bis hin zur schäbigen Absteige der Moskauer Gäste mit abblätternder Tapete.

Wer sich selbst ein Bild machen möchte, hat noch bis zum 27. April Gelegenheit dazu.

www.schlosspark-theater.de

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