Das genialste Bühnenbild, das die Welt je gesehen hat!

Das genialste Bühnenbild, das die Welt je gesehen hat!

Am 15. August verfassten vier Schattenlichter einen Theater-Tipp zu einer Inszenierung des Stücks „1984“ – nach dem bekannten Roman von George Orwell – , die damals mitten im Hochsommer auf der Freilichtbühne des Globe Theaters in der Sömmeringstraße 15 in Berlin-Charlottenburg gezeigt wurde. Eigentlich hatten die vier Schattenlichter das Stück im Berliner Ensemble sehen wollen, aber die Termine passten nicht. Der sommerliche Theater-Tipp endet mit dem Satz: „Man darf gespannt sein, ob das Berliner Ensemble eine ähnliche Form der Umsetzung wählt oder ganz andere Wege beschreitet.“

Mehr als ein halbes Jahr später war es nun an einem eisigen Abend soweit: In derselben Konstellation machten sich die Schattenlichter auf ins ausverkaufte Berliner Ensemble am Schiffbauerdamm in Berlin-Mitte. Es lohnte sich, denn die Inszenierung war keine Wiederholung der Darstellung im Globe – ebenfalls sehenswert, aber ganz anders.

Nochmal zum Auffrischen: Orwell verfasste den Roman „1984“ bereits in den Jahren 1946 bis 1948. Der britische Autor stand unter dem Eindruck eines soeben zu Ende gegangenen Weltkrieges; er schrieb eine düstere Zukunftsaussicht für das damals fern erscheinende Jahr 1984. Orwell schildert einen totalitären Überwachungsstaat aus Sicht des Erzählers Winston Smith, der ein einfaches Mitglied einer diktatorisch herrschenden, fiktiven Staatspartei ist. Der allgegenwärtigen Überwachung zum Trotz versucht Smith, seine Privatsphäre zu bewahren und etwas über die real geschehene Vergangenheit zu erfahren, die von der Partei durch umfangreiche Geschichtsfälschung verheimlicht wird. Dadurch gerät er mit dem System in Konflikt, das ihn gefangen nimmt, foltert und einer Gehirnwäsche unterzieht.

Zurück zum Berliner Ensemble: Dies ist der erste Theater-Tipp, der mit einer Bühnenbildbeschreibung anfängt. Denn das Bühnenbild war genial! Es bestand aus einer hohen Spiegelwand, die wie ein liegendes spitzes V konstruiert war, wobei sich das Publikum an der offenen Seite des Vs befindet. Das heißt, wer immer sich innerhalb des Vs aufhält, wird mehrfach gespiegelt. Das lässt viel Raum für Interpretationen: ob Spiegel der Seele, Überwachung, Zersplitterung oder einfach nur ein schicker optischer Effekt.

Zur Spiegelung passte der zweite Geniestreich der Inszenierung, nämlich dass Winston Smith nicht nur von einem Schauspieler, sondern von vier etwa gleich gekleideten Schauspielern gleichzeitig gespielt wurde. Dadurch wird sein Monolog zu einem inneren Monolog, der zeigt, wie zerrissen der Charakter ist und welche Diskussionen er in seinem Inneren mit sich selbst austrägt. Eine raffinierte Lösung auch, um den ellenlangen Romantext weniger monoton vortragen zu können.

Als die zweite Person der Handlung auftritt, – die Frau, in die sich Winston verliebt, – ist auch sie vierfach zu sehen. Aber nur eine der vier Schauspielerinnen spielt die Geliebte, die anderen drei dienen als stimmgewaltiger Chor, der mal ein positive Atmosphäre schafft, mal den Untergang dramatisch untermalt.

Das Spiegel-V befindet sich auf einer Drehbühne. Von der Rückseite besehen, eröffnen sich zwei weitere Bühnenbilder in der Stützkonstruktion der Spiegelwand. Diese Stützen diesen den Schauspielern als Gerüst zum Klettern, als Gebäudekulisse, als Zimmer der Liebe, als fensterlose Verhörzelle … Gespielt wird mal im sich bewegenden Bühnenbild, mal vor statischem Hintergrund. Toll!

Über die zweite Stückhälfte waren die Schattenlichter geteilter Meinung: Die älteren waren total genervt, weil das gesamte Verhör eintönig wirkte und für die Zuschauenden fast ebensowenig auszuhalten war wie für den Gefolterten. Da wurden dieselben Stilmittel gefühlt eine halbe Stunde lang beibehalten: monotones Sprechen aller vier Schauspieler gleichzeitig mit Verstärkung durch ein hallendes Mikrofon, außerdem nach jedem Satz ein ekelhaftes Schniefen eines der Schauspieler; das Ganze immer in derselben Zelle. Die jüngeren Schattenlichter hatten mehr Bereitschaft zum Leiden und fanden die Umsetzung gut, denn das Verhör und die Gehirnwäsche sollten in ihren Augen nicht beschönigt werden, da es da nichts zu beschönigen gibt.

„1984“ ist wieder am 27. und 28. März sowie am 14. und 15. April zu sehen. Was den Schattenlichtern sehr gefallen hat: Auch wenn die Berufstätigen für Plätze in Reihe 9 knapp 50 Euro berappen mussten, kosteten die Studi-Tickets nur 9 Euro. Für die Pause ist dringend eine Vorbestellung von Getränken geraten, denn die Schlange am Bartresen war noch nicht abgearbeitet, als die Pause zu Ende ging. Das können die Schattenlichter besser!

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Warten auf’n Bus

Warten auf’n Bus

Dass es erfolgreiche Kinofilme auf die Bühne schaffen oder dass beliebte Bücher verfilmt und für die Bühne aufbereitet werden, ist gängige Praxis. In der Vagantenbühne gibt es aber gerade etwas Besonderes: eine Fernsehserie mit 15 Folgen, die nun – auf 90 Minuten gekürzt – auf der Bühne des Theaters in der Kantstraße gezeigt wird.

Das Ergebnis ist ausgesprochen gelungen, wie die Schattenlichter gestern Abend feststellen konnten. Aber zuerst zum Inhalt: „Warten auf’n Bus“ – so heißen die Serie und auch das Theaterstück – wurde in zwei Staffeln in den Jahren 2020 und 2021 im ZDF ausgestrahlt. Die Serie wurde ein großer Erfolg, prominent besetzt mit Ronald Zehrfeld, Felix Kramer und Jördis Triebel.

Das Setting der Serie ist sehr geeignet fürs Theater, denn fast die gesamte Handlung spielt sich an einer Bushaltestelle ab. Ein leichtes Spiel für den Bühnenbildner! An dieser Bushaltestelle mitten in der Brandenburgischen Provinz treffen sich jeden Tag die Freunde Hannes und Ralle, die sich bereits seit Kindertagen kennen, gemeinsam im Kohleabbau gearbeitet haben und nun – 30 Jahre nach der Wende – bereits seit 20 frustrierenden Jahren arbeitslos sind. Die Bushaltestelle wird zu ihrer Kneipe, ihrem Wohnzimmer, ihrem Zufluchtsort. Es ist eine Endhaltestelle – auch für ihr Leben?

Die beiden sitzen in der Pampa, quatschen und philosophieren über das Leben, Politik und die Liebe, springen von einem Thema zum anderen, sind mal gut gelaunt, mal deprimiert. Ralle wird stets von seinem Hund Mikey bzw. Hundi begleitet, der wie die beiden Freunde seine besten Jahre bereits hinter sich hat. Ein Höhepunkt des Tages besteht darin, dass Busfahrerin Katrin an der Haltestelle einige Minuten lang ihre Pause verbringt.

Was in 15 Folgen manchmal etwas langatmig sein konnte und die Langeweile der beiden Freunde hin und wieder zu stark nachempfinden ließ, wird in der Vagantenbühne in 90 Minuten dynamisch auf den Punkt gebracht. Zusätzlich zu Hannes, Ralle, Katrin und der Hundeleine gibt es einen weiteren Akteur – einen aus dem Westen, der als Erzähler, Musiker, Geräuschemacher und Kontrapunkt fungiert. Die Szenen, die es aus der Serie auf die Bühne geschafft haben, wurden gut ausgewählt: Da wird es auch politisch und dramatisch, wenn plötzlich Hakenkreuze an die Bushaltestelle geschmiert wurden, Hannes und Ralle Dresche beziehen und sich vor dem Dorfsheriff rechtfertigen müssen. Auch Themen wie Alkoholismus und häusliche Gewalt, Stasi und Verrat werden nicht ausgespart.

Die Schattenlichter empfehlen: Hingehen! Tickets gibt es ab 17,60 Euro; die nächsten Vorstellungen sind heute und morgen.

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Vorher den Film angucken!

Vorher den Film angucken!

Uns sind Musicals eigentlich immer zu teuer – warum 100 Euro für ein Ticket ausgeben, wenn man für 30 Euro ein gutes Theaterstück ansehen kann – aber mit einem 40-Prozent-Rabatt lockte uns „Stage Entertainment“ in „Ku’damm 59 – Das Musical“ im ehemaligen Theater des Westens in der Kantstraße.

„Ku’damm 56, 59 und 63“ heißen drei Fernsehstaffeln, die in den Jahren 2016, 2018 und 2021 im ZDF ausgestrahlt wurden. Darin geht es um die strenge Besitzerin einer Tanzschule am Ku’damm, Caterina Schöllack: Sie muss ihre drei Töchter in den 1950er-Jahren alleine versorgen, da ihr Mann nicht aus dem Krieg zurückgekehrt war. Dabei legt sie vor allem Wert auf den Ruf ihrer Familie. Zwei Töchter beugen sich dem Willen der Mutter und machen eine gute Partie: mit einem ältlichen Krankenhausprofessor und einem aufstrebenden Staatsanwalt. Obwohl beide Töchter in ihren Beziehungen unglücklich sind – der konservative Professor hält seine Frau an der kurzen Leine, und der Staatsanwalt interessiert sich für Männer, – wahren sie den Schein, um den Anforderungen der Gesellschaft zu genügen. Die dritte Tochter, Monika, trotzt den Erziehungs- und Verkupplungsversuchen der Mutter und widmet sich ihrer Leidenschaft, dem Rock’n’Roll. Der Vergleich mit ihren zwei erfolgreichen Schwestern liegt ihr dabei trotzdem schwer im Magen.

In Staffel 2, also dem Teil, der in dem aktuellen Musical umgesetzt wurde, kämpft Monika um ihr uneheliches Kind, das ihr auf Betreiben ihrer Mutter gleich nach der Geburt weggenommen wurde und nun bei ihrer kinderlosen Schwester und dem homosexuellen Staatsanwalt aufwächst. Der Staatsanwalt kämpft mit seinen gesetzlich verbotenen und von der Gesellschaft für pervers gehaltenen Gefühlen. Die unglückliche Professorengattin verlässt ihren Mann, bekommt aber ohne sein Einverständnis keine Arbeit und muss sich schließlich prostituieren, um finanziell über die Runden zu kommen. Und Monika arbeitet an ihrer Karriere als Sängerin und Tänzerin mit ihrem Freund Johnny, der mit seinen Erinnerungen ans Vernichtungslager Auschwitz zu kämpfen hat, wo seine gesamte Familie ermordet wurde. Monikas wahre Liebe, Joachim, heiratet indessen aus Pflichtgefühl eine andere Frau, der er sich wegen ihrer Schwangerschaft verpflichtet fühlt, bis herauskommt, dass das Kind gar nicht von ihm ist. Zudem kämpft er damit, der Rüstungsfabrik seines verstorbenen Vaters eine andere Richtung zu geben.

Kurz: Es gibt jede Menge Probleme, und wir waren im Vorfeld gespannt, welche davon auf Musical-Ebene unter den Tisch fallen würden. Das ist ja wie bei der 90-Minuten-Verfilmung eines 500-seitigen Romans: Da müssen ganze Handlungsstränge gestrichen werden, und der begeisterte Leser empfindet die Verfilmung manchmal als etwas flach.

Tatsächlich hat es das Musical geschafft, sämtliche Probleme in die Handlung aufzunehmen. Wir hatten die Filme zur Auffrischung gerade erst an den Vortagen gesehen und waren von der Umsetzung recht angetan. Es war aber nicht zu übersehen, dass die Menschen im Publikum, die die Filme nicht kannten, Schwierigkeiten hatten, der Handlung zu folgen. Das fing schon damit an, dass es keinerlei Exposition gab, also nicht einmal „Es geht um eine Tanzschulbesitzerin und ihre drei Töchter“. Im durch die vielen Nebenfiguren und Tanzenden undurchsichtigen Musicalstab mitzubekommen, wer wer ist und wer mit wem zusammenhängt, war da für Neulinge kaum möglich.

Zwar wurden alle Probleme angeschnitten, aber oft nur am Rande: Auschwitz auf drei Nebensätze zu reduzieren, wird dem Thema natürlich nicht gerecht, und beim schwulen Staatsanwalt war im Musical das Hauptproblem, dass er damit seine Frau betrog, wo es doch vor allem auch darum geht, dass er in dieser Epoche seine Sexualität nicht ausleben durfte und damit seine Karriere gefährdete.

Nun könnte man argumentieren, dass für all das in den 150 Musicalminuten keine Zeit wäre. Zeit wurde aber reichlich für eine neue Hauptrolle verwendet, die es in den Filmen in dieser Form gar nicht gibt: eine erfolgreiche weibliche Filmproduzentin. Im Film „Ku’damm 59“ ist das ein ältlicher Filmproduzent, den sich Caterina Schöllack als standesgemäßen künftigen Ehemann erhofft, obwohl er ihre Tochter begrabscht hat. Das zeigt gut die Abhängigkeiten dieser zwiespältigen Epoche. Die weibliche Produzentin im Musical strahlte hingegen Selbstbewusstsein, Unabhängigkeit und Modernität aus, was nicht dazu beiträgt, das konservative Rollenverständnis der Schöllack-Frauen zu verstehen.

Alles in allem war der Musicalbesuch dennoch ein vergnüglicher und kurzweiliger Abend, denn WIR kannten die Storyline ja, und außerdem gefielen uns viele Gesangsdarbietungen gut, und auch die Choreografien waren einfallsreich und „was fürs Auge“. Und auch Bühnenbilder und Lichteffekte gucken wir Schattenlichter uns ja immer gerne an.

Karten mit 40 Prozent Rabatt gibt es hier.

Der letzte Vorhang fällt am 23. Februar, übrigens auch dem Tag der Dernière des aktuellen Schattenlichter-Theaterstücks.

Eine gute Nachricht für die Fans der toll ausgestatteten „Ku’damm“-Filme erreichte uns in diesen Tagen über die Agentur Filmgesichter: „Ku’damm 77“ wird gedreht, also die vierte Staffel!

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Bald wird auch im Kino gegrillt!

Bald wird auch im Kino gegrillt!

Selten hatten die Schattenlichter so viel Spaß beim Probem wie vor zwei Jahren bei der Komödie „Extrawurst“.

Daher freut es die Gruppe sehr, dass „Extrawurst“ im Januar 2026 ins Kino kommen wird, wie dem heutigen Tagesspiegel zu entnehmen war (siehe Foto).

Es ist immer amüsant, seine eigene Theaterrolle auf der großen Kinoleinwand zu sehen! Spannend ist auch, welche der im Artikel genannten Schauspieler welche Rollen übernehmen werden. Die Schattenlichter schließen schon Wetten ab!

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Kulturabbau verhindern

Kulturabbau verhindern

Vier Schattenlichter besuchten heute Abend das Renaissance-Theater. Da wir dort dasselbe Stück sahen wie im Juni, gibt es diesmal keinen Theater-Tipp, sondern einen Hinweis auf eine digitale Unterschriftenaktion des Bühnenvereins zum Thema „Kulturabbau verhindern“.

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George Orwells düstere Vision „1984“ auf einer Sommerbühne

George Orwells düstere Vision „1984“ auf einer Sommerbühne

Eigentlich wollten vier Schattenlichter im Berliner Ensemble das Stück „1984“ – nach dem bekannten Roman von George Orwell – sehen. Leider passten die Termine nicht, und so fanden wir uns gestern Abend im Globe Theater in der Sömmeringstraße 15 in Berlin-Charlottenburg wieder, wo „1984“ in einer Inszenierung des KantTheaterBerlin zu sehen ist. An einem der heißesten Tage des Jahres Theater Open Air zu genießen, ist eine sehr gute Art, den Abend zu verbringen!

Um das Stück und seinen Hintergrund zu verstehen, ist ein Blick ins Internet hilfreich: „1984“ wurde bereits in den Jahren 1946 bis 1948 verfasst. Der britische Autor stand unter dem Eindruck eines soeben zu Ende gegangenen Weltkrieges; er schrieb eine düstere Zukunftsaussicht für das damals fern erscheinende Jahr 1984. Da staunt man, wie aktuell die Handlung heute wirkt!

Orwell schildert einen totalitären Überwachungsstaat aus Sicht des Erzählers Winston Smith, der ein einfaches Mitglied einer diktatorisch herrschenden, fiktiven Staatspartei ist. Der allgegenwärtigen Überwachung zum Trotz versucht Smith, seine Privatsphäre zu bewahren und etwas über die real geschehene Vergangenheit zu erfahren, die von der Partei durch umfangreiche Geschichtsfälschung verheimlicht wird. Dadurch gerät er mit dem System in Konflikt, das ihn gefangen nimmt, foltert und einer Gehirnwäsche unterzieht.

Auch wenn Orwell damals eher an Nazismus und Stalinismus gedacht haben dürfte, passen die geschilderten Methoden auch zu heute existierenden totalitären Systemen. Gruselig!

„Gruselig“ ist auch eine treffende Bezeichnung für die Inszenierung des Kant Theaters. Mit nur einen Schauspieler, der Winston Smith darstellt, und einer Schauspielerin, die die anderen Charaktere der Handlung verkörpert, wird die Anspannung, unter der sich der denkende Bürger befindet, intensiv dargestellt. Da gibt es keinerlei Ablenkung durch Bühnenbild, Kostüme oder Requisiten: Zwei schwarz gekleidete Akteure auf einer leeren Fläche transportieren schonungslos das Geschehen. Das verlangt dem Publikum einiges ab; man ist beim Schlussapplaus fast erleichtert, die Schauspieler auch mal lächeln zu sehen.

Man darf gespannt sein, ob das Berliner Ensemble eine ähnliche Form der Umsetzung wählt oder ganz andere Wege beschreitet.

Unsere Theatertipps:

  1. Globe Berlin – die Saison geht noch bis Mitte September
    https://globe.berlin/

  2. KantTheaterBerlin
    https://www.kanttheaterberlin.de/

  3. Berliner Ensemble
    „1984“ läuft am 31.8., 1.9., 5.10. und 6.10.2024
    https://www.berliner-ensemble.de/inszenierung/1984
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Eine „Extrawurst“ aus Ribbeck

Eine „Extrawurst“ aus Ribbeck

Die Open-Air-Theatersaison geht weiter: Heute sahen vier Schattenlichter die Komödie „Extrawurst“ im Innenhof des Jagdschlosses Grunewald an.

Dies ist schon die vierte Inszenierung dieses Stückes, die sich die Schattenlichter zu Gemüte führen, und es lässt sich wieder einmal feststellen: Dieses Stück ist so gut, dass man es nicht oft genug sehen kann und jedesmal wieder über die dargestellten Typen und Situationen lachen bzw. die Hände überm Kopf zusammenschlagen muss.

Die heutige Inszenierung entstand vor allem für die Schlossfestspiele Ribbeck, die in diesem Jahr zum elften Mal stattfinden. Aber nicht nur Schloss Ribbeck verwandelte sich sechs Male in eine Theaterbühne für „Extrawurst“, sondern das Team geht auch auf Tournee – eben ins Jagdschloss Grunewald (heute und morgen), und anschließend nach Rathenow, auf die Festung Dömitz, nach Paretz, ins Kloster Kyritz und nach Luckenwalde. Es bietet sich also an, einen netten Tagesausflug und den abendlichen Theaterbesuch zu verbinden.

Die Schattenlichter spielten „Extrawurst“ vor anderthalb Jahren. Das Stück ist so eingängig, dass wir noch fast jedes Wort mitsprechen konnten. Wie die Schattenlichter hat auch das Ribbecker Team lokale Anpassungen vorgenommen. Auffällig ist, dass das Ribbecker Ensemble deutlich jünger ist als die drei Teams, deren „Extrawurst“-Inszenierungen wir bisher gesehen haben. Die Message kommt gut rüber: Ein Sportverein muss nicht unbedingt überaltert sein, um Intoleranz und Fremdenfeindlichkeit ein Zuhause zu geben. Nein, das ist allerorten möglich und kein Generationsproblem.

Nochmal zur Erinnerung: „Extrawurst“, geschrieben vom „Stromberg“-Autorenduo Dietmar Jacobs und Moritz Netenjakob, zeigt die Mitgliederversammlung eines Tennisclubs, die als letzten Tagesordnungspunkt noch schnell über einen neuen Grill fürs jährliche Sommerfest abstimmen soll. Da macht ein Mitglied den Vorschlag, auch einen zusätzlichen Grill für das einzige türkische Mitglied des Vereins zu finanzieren, da der gläubige Muslim seine Grillwurst nicht auf einen Grill mit Schweinefleisch legen darf. Der Vorschlag löst umfangreiche Diskussionen aus, und man lernt die Vereinsmitglieder besser kennen, als einem lieb ist.

Ob der Verein die Zerreißprobe überhaupt überstehen wird, bleibt bis zur letzten Minute spannend! So viel sei verraten: Die Ribbecker sind optimistischer als die Zehlendorfer, geben aber auch eine Mahnung mit auf den Weg.

Das Team spielt durchgehend stringend und zeichnet die unterschiedlichen Typen glaubwürdig: vom patriarchalischen Vereinsvorsitzenden über den übereifrigen Stellvertreter, den schrecklich schrill über seine eigenen Witze lachenden Ehemann und das deutsch-türkische Tennisduo. Alle haben sympathische Züge, sind aber auch Opfer ihres Schubladendenkens und ihrer Vorurteile. Selbst diejenigen, die über lange Zeit die Sympathien des Publikums genießen, haben am Ende doch die eine oder andere Leiche im Keller.

Das Publikum an diesem lauen Sommerabend ist begeistert. Nicht nur das Stück stimmt, auch das Ambiente im Jagdschloss mit seiner sympathischen Gastronomie ist fantastisch. Wer morgen noch nichts vorhat: Schnell noch auf www.reservix.de Karten sichern. Und allen, die morgen schon verplant sind, empfehlen wir die Variante „Tagesauflug mit kurzweiligem Kulturabend“.

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Schattenlichter auf Theaterreise

Schattenlichter auf Theaterreise

Wenn Mitglieder der Theatergruppe Schattenlichter aus Berlin wegziehen und damit auch die Gruppe verlassen, ist das natürlich immer sehr schade. Immerhin gibt es aber auch einen positiven Aspekt: Wenn sich die Ehemaligen an ihrem neuen Wohnort ebenfalls in einer Theatergruppe engagieren, können die Zehlendorfer auf Reisen gehen und Aufführungen an anderen Orten ansehen und ihren Ehemaligen zujubeln.

In diesem Sinne ging es an diesem Wochenende in die Kleinstadt Nördlingen. Dort gibt es den „Verein Alt Nördlingen“, der sich seit genau 100 Jahren für den Ort und seine Kultur einsetzt. Es gibt ein sehr engagiertes ehrenamtliches Theaterteam, das im Sommer von Mitte Juni bis Anfang August die Freilichtbühne „Alte Bastei“ bespielt – und zwar jeweils mit einem Stück für Kinder und einem für Erwachsene.

Beim Erwachsenenstück – dem Musical „My Fair Lady“ – spielt das ehemalige Schattenlichter Markus W. Schütz mit. 17 Aufführungen sind angesetzt; das erfordert von den Mitwirkenden schon ein anderes Commitment als bei den Schattenlichtern! Da die Freilichtbühne nicht überdacht ist, wird auch bei Wind und Nieselregen gespielt.

Ein Fun Fact: Als Markus neu bei den Schattenlichtern war, spielte die Gruppe als erstes „Pygmalion“ von Bernard Shaw; das ist ausgerechnet die Grundlage von „My Fair Lady“. Während Markus damals Souffleur war, gab er nun den Oberst Pickering, die drittgrößte Rolle.

In „My Fair Lady“ geht es darum, wie stark Sprache den sozialen Status bestimmt. Zwei Sprachforscher – Henry Higgins und Oberst Pickering – schließen vor rund 100 Jahren in London eine Wette ab, ob man aus dem stark Dialekt sprechenden Blumenmädchen Eliza Doolittle in sechs Monaten Spracherziehung und Benimmschule eine gesellschaftsfähige Dame machen kann. Frederick Loewe schrieb in den 1950er-Jahren eingängige Lieder dazu wie „Es grünt so grün“, „Mit nem kleen Stückchen Glück“ und „Ich hab getanzt heut Nacht“.

Die Nördlinger haben ihre Inszenierung an ihre Region angepasst: Der Dialekt ist heimisch, Gebäude und Geschäfte des Stücks tragen Nördlinger Namen, und sogar für das legendäre Pferderennen gibt es ein Nördlinger Pendant.

Zeitlich befindet sich das Stück zwischen damals und heute: Sprachübungen und Aufnahmetechnik sind aus der Zeit von Bernard Shaw, aber es werden auch Brücken nach heute geschlagen – beispielsweise mit Obdachlosen, die ihr Hab und Gut in Supermarkt-Einkaufswagen horten, mit Handys und Sozialen Medien und nicht zuletzt auch durch den Stückausgang, in dem Eliza als moderne emanzipierte Frau weder den arroganten Sprachwissenschaftler Higgins noch den reichen Nichtsnutz Freddy heiratet.

Es ist beeindruckend, wie die Nördlinger die Herausforderungen ihrer vieretagigen Bühne geschickt meistern und mit welchen Mengen an Licht- und Tontechnik sie umzugehen wissen. Dabei besitzt der Verein auch die Weitsicht, junge Leute ins Boot zu holen und für das ehrenamtliche Mitarbeiten zu begeistern.

Ein großes Ensemble – mit rund 25 Leuten auf der Bühne – kann auch die Massenszenen von „My Fair Lady“ gut umsetzen und für das richtige Ambiente in der Gosse wie auch beim großen Pferderennen sorgen. Der Spaß am Spielen ist allen anzumerken. Hervorhebenswert fanden die Schattenlichter selbstredend den Oberst Pickering, aber auch die Darsteller von Freddy, Alfred Doolittle, dem Kneipier und einem Trinker, der sich auf der Bühne mehrfach halsbrecherisch überschlug, wenn er mal wieder aus der Kneipe geworfen wurde. Gesanglich hob sich vor allem die Darstellerin der Eliza besonders ab. Dass Laien auf der Bühne stehen, ist vielfach gar nicht zu merken.

Rundum ein überaus gelungener Abend! Noch bis zum 2. August ist „My Fair Lady“ in der Freilichtbühne zu sehen. Karten gibt es auch für Berlinerinnen und Berliner online unter www.freilichtbuehne-noerdlingen.de.

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Ein packender Briefroman auf der Bühne

Ein packender Briefroman auf der Bühne

Vier Schattenlichter sahen sich heute das Stück „Empfänger unbekannt“ im Kleinen Theater am Südwestkorso an. Das Stück zählt zu den ernsten Inszenierungen des Theaters, das in seinem Repertoire über eine große Bandbreite verfügt.

Eigentlich besteht das Stück nur aus der Präsentation eines Briefwechsels zwischen zwei besten Freunden, die sich nach und nach voneinander entfremden. Das ist aber hervorragend umgesetzt, so dass keine Sekunde Langeweile aufkommt, sondern das komplette Publikum gespannt mitfiebert.

Zum Inhalt: Der Deutsche Martin Schulze und der amerikanische Jude Max Eisenstein, gespielt von Paul Walther und Jonas Laux, betreiben in den USA eine gut gehende Kunstgalerie. 1932 entscheidet sich Schulze, mit seiner Familie nach Deutschland zurückzukehren. So schreiben sich die beiden Briefe, versichern sich darin ihre Freundschaft, schwelgen amüsiert in Erinnerungen, tauschen sich aus über Privates und Berufliches.

Zu Beginn sieht Schulze den Aufstieg der Nationalsozialisten noch kritisch, doch schon bald wird er ein bekennender Nationalsozialist. Mit den politischen Ereignissen in den nächsten eineinhalb Jahren lernt Max ganz neue Seiten seines Freundes kennen, und eine Geschichte voller dramatischer und überraschender Wendungen entspinnt sich.

Die Grundlage des Stücks ist der Briefroman „Address Unknown“ von Kathrine Kressmann Taylor (1903 – 1996), der 1938 in der New Yorker Zeitschrift „Story“ erschien. Die Autorin, die von 1926 bis 1928 als Werbetexterin gearbeitet hatte, war bis dahin unbekannt.

„Empfänger unbekannt“, so berichtete sie später, beruhe auf mehreren wahren Briefen. Über 60 Jahre später wurde der Roman auch in Deutschland und Frankreich zum Bestseller.

Die Schattenlichter waren sehr beeindruckt und diskutierten eine ganze Weile über die beiden Charaktere und über das Stück.

In drei Tagen läuft es noch einmal, bevor das Kleine Theater in die Sommerpause geht.

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Das „Extrawurst“-Autorenteam hat wieder zugeschlagen

Das „Extrawurst“-Autorenteam hat wieder zugeschlagen

Mit viel Spaß hatten die Schattenlichter im Februar 2023 die Komödie „Extrawurst“ aufgeführt. Dementsprechend war die Begeisterung der Theatergruppe groß, als sie hörte, dass das „Extrawurst“-Autorenteam – Dietmar Jacobs und Moritz Netenjakob – ein neues Stück geschrieben hat. Fünf Schattenlichter sahen es sich heute im Renaissance-Theater an, wo schon auch „Extrawurst“ zu sehen gewesen war.

„Kalter weißer Mann“ heißt das neue Stück, und es spielt in einer Friedhofskapelle. Gernot Steinfels, Patriarch einer Firma des alten deutschen Mittelstands, ist verstorben, und sein designierter Nachfolger richtet für das Unternehmen die Beisetzung aus. Doch sein Text auf der Schleife sorgt für heftige Irritation: „In tiefer Trauer – Deine Mitarbeiter“.

Schnell hat der neue „alte weiße Mann“ an der Spitze seine Marketing-Leiterin, den Social-Media-Chef, seine Sekretärin und die selbstbewusste Praktikantin gegen sich.

Vor dem Theaterpublikum als versammelter Trauergemeinde zerfleischt sich die Führungsetage der Firma immer mehr. Nicht einmal der verzweifelte Pfarrer kann die Wogen glätten.

Mit scharfem Blick wird in der Komödie die Frage gestellt, welche Ausdrucks- und Verhaltensweisen politisch korrekt sind, und es zeigt sich, dass nicht jeder Mensch, der Moral von anderen einfordert, diese Maßstäbe auch für sein eigenes Handeln ansetzt.

Das Ganze ist perfekt geschrieben, kurzweilig inszeniert, toll gespielt und in einem schmucken Bühnenbild dargestellt.

Da stellt sich den Schattenlichtern nur eine Frage: Können wir dieses Stück im Februar 2026 selbst aufführen?

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